In der Notfallversorgung hat die Sicherung der Vitalfunktionen eines Patienten hohe Priorität. Im Rahmen eines Verkehrsunfalls kann es durch Blutverlust zu einem hypovolämischen Schock kommen. Dieser fällt zuerst durch eine blasse und kühle Haut auf. In fortgeschrittenen Stadien sinkt der Blutdruck auf unter 100 mm Hg, während der Puls auf über 100/min ansteigt.

Andere Schockursachen kann eine Sepsis, ein Linksherzversagen (kardiogener Schock) oder eine allergische Reaktion auf einen Bienenstich (anaphylaktischer Schock) sein. Unabhängig von der Ursache kommt es zu einer kritischen Verminderung der Sauerstoffversorgung und eine damit einhergehende Gewebeschädigung. Zur Abschätzung, ob ein Schock tatsächlich vorliegt, dient der Schock-Index (Puls / systolischen Blutdruck größer als 1). Ein anderes wichtiges Werkzeug zur Einschätzung der Vitalfunktion eines Patienten ist die Glasgow-Koma-Skala. Bei dieser wird anhand einfacher Funktionen eine mögliche Bewusstseinstrübung beurteilt. Bei einem Punktewert von 8 oder weniger, von maximal 15 Punkten, liegt eine schwere Bewusstseinstrübung vor. Das hat unmittelbar therapeutische Konsequenzen, wie die sofortige Intubation des Patienten zur Atemwegssicherung. So soll die höchste Überlebenswahrscheinlichkeit erreichtwerden, wenn innerhalb einer Stunde eine ausreichende medizinische Versorgung erfolgt. Im englischsprachigen Raum hat sich für die Notfallversorgung der Begriff goldene Stunde (golden hour) eingebürgert, um den Zeitraum nach schweren traumatischen Verletzungen zu beschreiben.

Um den Zusammenhang zwischen der Zeit außerhalb der Klinik und dem Ausgang genauer zu untersuchen evaluierten Forscher in einer aktuellen Studie in "Annals of Emergency Medicine" Patienten mit einem Schock oder traumatischen Hirnschaden, die schon früher in einer klinischen Fallstudie aufgenommen waren.

Diese sekundäre Analyse von Patienten mit Schock oder traumatischer Hirnverletzung beinhaltete Personen, die über 15 Jahre alt waren. Die Daten wurden von Mai 2006 bis May 2009 durch ein entsprechendes Studien-Konsortium (Resuscitation Outcomes Consortium out-of-hospital clinical trial) von 81 Rettungsdienststellen, die 46 Level I oder II Traumazentren an 11 Orten bedienten, erhoben. (Das Level I beziehungsweise II kennzeichnet die höchste beziehungsweise zweithöchste Trauma-Versorgungsstufe in den USA.) Die Inklusionskriterien waren für die Schock-Kohorte ein systolischer Blutdruck kleiner-gleich 70 mm Hg oder ein systolischer Blutdruck zwischen 71 und 90 mm HG mit einer Pulsfrequenz größer-gleich 108/min. Für die traumatische Hirnverletzungs-Kohorte betrug der Punktwert in der Glasgow-Koma-Skala weniger oder gleich 8. Die Patienten, die beide Kriterien erfüllten wurden der Schock-Kohorte zugewiesen. Der erste Endpunkt war die 28-Tage-Mortalität (Schock-Kohorte) und ein Punktwert von kleiner-gleich 4 in der erweiterten 6-Monats-Glasgow-Koma-Skala (traumatische Hirnverletzungs-Kohorte).

Es gab 778 Patienten in der Schock-Kohorte (26 % gehörten zur 28-Tages-Mortalität) und 1 239 Patienten in der traumatischen Hirnverletzungskohorte (53 % gehörten zur ausgeweiteten 6-Monate Glasgow-Koma-Skala). Eine außerklinische Zeit von über 60 Minuten war, nach Einrechnung wichtiger Störfaktoren, nicht mit einem schlimmeren Krankheitsausgang für die Schock-Kohorte (adjustierte Odds ratio: 1,42) oder die traumatische Hirnverletzungs-Kohorte (adjustierte Odds ratio 0,77) assoziiert. Trotzdem brauchten die Schockpatienten früh entscheidende Versorgungsmöglichkeiten im Krankenhaus und hatten bei einer Ankunft nach 60 Minuten eine höhere 28-Tages-Mortalität (adjustierte Odds ratio 2,37).

Dieser Sachverhalt konnte bei der traumatischen Hirnverletzungs-Kohorte nicht beobachtet werden.

Fazit: Unter den prähospitale Traumapatienten, die die physiologischen Kriterien für traumatische Hirnverletzung erfüllten, gab es keine Assoziation zwischen Zeitpunkt der notwendigen Therapie-Interventionen und Krankheitsausgang.

Lediglich war für die Subgruppe der Patienten mit Schock eine früh therapeutische Intervention entscheidend. Zudem war die Mortalität unter Schockpatienten, die erst nach 60 Minuten eintrafen, höher.

Anmerkung: Anders ausgedrückt gilt die sogenannte "golden hour" nur für Trauma-Patienten mit Schock.

1- Newgard et al. Revisiting the "golden hour": An evaluation of out-of-hospital time in shock and traumatic brain injury. Ann Emerg Med. 2015 Jan 14

 

 

Zusätzliche Informationen

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.