Bei den meisten Patienten mit dislozierter proximaler Humerusfaktur ist nicht klar, ob eine chirurgische Behandlung nötig ist. Diese wird jedoch immer häufiger angewendet. (Medknowledge Anmerkung: proximale Humerusfrakturen sind vor allem bei älteren Patienten sehr häufig; der proximale Humerus ist neben dem proximalen Femur, den Wirbelkörpern und dem distalen Radius eine der typischen Lokalisationen für osteoporotische Frakturen.) Eine aktuelle Studie untersuchte den klinischen Nutzen der operativen vs konservativen Behandlung von Erwachsenen mit dislozierter Fraktur des chirurgischen Halses des Humerus.

Die Autoren bezogen sich auf die Daten der PROFHER-Studie (¬"Proximal Fracture of the Humerus Evaluation by Randomization", randomisierte Einschätzung der proximalen Humerusfraktur). Es handelt sich dabei um eine klinische, pragmatische, randomisierte, multizentrische Parallelgruppen-Studie, die 250 Patienten einschloss. Diese waren mindestens 16 Jahre alt (24 bis 92 Jahre, mit einem mittleren Alter von 66 Jahren); 192 (77%) waren Frauen und 249 (99,6%) waren weißer Hautfarbe. Die Patienten stellten sich im Zeitraum von September 2008 bis April 2011 in einer orthopädischen Notaufnahme vor (in einem von 32 Krankenhäusern des UK National Health Service). Die dislozierte Humerusfraktur lag zu diesem Zeitpunkt höchstens 3 Wochen zurück.

Bei den operativ behandelten Patienten wurde die Fixation oder Reposition des Humeruskopfes von erfahrenen Chirurgen durchgeführt. Die konservative Behandlung bestand aus der Ruhigstellung der Fraktur mittels Armschlinge.

Beide Patientengruppen bekamen die übliche ambulante Rehabilitation.

Nach der Behandlung erhielten die Patienten ein Follow-up von 2 Jahren (bis April 2013). 215 Patienten hatten vollständige Nachbeobachtungsdaten.

Die primäre Analyse der Autoren beinhaltete die Daten von 231 Patienten (114 Patienten der operativen Behandlungsgruppe und 117 Patienten der konservativen Behandlungsgruppe).

Der primäre Endpunkt war der Oxford-Schulter-Score (OSS) (Medknowledge Anmerkung: Der Oxford-Schulter-Score ist eine Punktzahl von 0-48, berechnet anhand eines Patientenfragebogens, der sich auf Schmerzen und Einschränkung der Funktionalität im Alltag bezieht; höhere Punktzahlen entsprechen einem besseren ¬Outcome). Der OSS wurde während der 2 Jahre Nachbeobachtungszeit mehrfach erhoben: 6, 12 und 24 Monate nach dem Knochenbruch. Der Stichprobenumfang wurde anhand eines minimalen klinischen Unterschieds von 5 OSS-Punkten berechnet.

Sekundäre Endpunkte waren die Punktzahl ¬des Short-Form 12 (SF-12) (Medknowledge Anmerkung: Bei dem SF-12 handelt es sich um einen Fragebogen zum allgemeinen körperlichen und mentalen Gesundheitszustand der Patienten; höhere Punktzahlen entsprechen einem besseren Gesundheitszustand), Komplikationen, nachfolgende Behandlungen und die Anzahl an Todesfällen.

Die Autoren fanden keinen signifikanten Gruppenunterschied der mittleren Werte der OSS-Punktzahl, sei es hinsichtlich des errechneten Durchschnitts der verschiedenen Punktzahlen des 2-Jahres-Follow-ups (in der operativen Behandlungsgruppe lag der mittlere OSS-Wert bei 39,07 Punkten und in der konservativen Behandlungsgruppe bei 38,32, mit einem Gruppenunterschied von 0,75 Punkten), sei es hinsichtlich der Messungen an den einzelnen Zeitpunkten.

Auch bei den sekundären Endpunkten fanden sich keine signifikanten Unterschiede: Der 2-Jahres-Durchschnitt der SF-12 Punktzahl zeigte einen Gruppenunterschied von 1,77 Punkten beim körperlichen Anteil des Fragebogens (mit einer höheren Punktzahl in der operativen Behandlungsgruppe) und von 1,28 Punkten beim psychischen Anteil (mit einer höheren Punktzahl bei den konservativ behandelten Patienten); die Anzahl an chirurgischen oder frakturbezogenen Komplikationen war ebenfalls vergleichbar (30 Patienten in der operativen vs. 23 in der konservativen Behandlungsgruppe); in beiden Gruppen benötigten jeweils 11 Patienten eine sekundäre chirurgische Versorgung der Schulter; die Anzahl an Patienten die im Nachhinein neue oder verstärkte Schulterbehandlungen benötigten war ähnlich (7 vs 4 Patienten); in der operativen Behandlungsgruppe verstarben 9 Patienten, im Vergleich zu 5 Patienten der konservativen Behandlungsgruppe - auch dieser Unterschied war nicht signifikant.

In der chirurgischen Behandlungsgruppe traten während des postoperativen Krankenhausaufenthaltes 10 medizinische Komplikationen auf: 2 Herzkreislauf-Ereignisse, 2 Erkrankungen der Atemwege, 2 Magen-Darm-Erkrankungen und 4 andere.

Fazit: Bei erwachsenen Patienten mit dislozierter unkomplizierter Humerusfraktur im Bereich des Halses fanden die Autoren keinen signifikanten Unterschied des klinischen Outcomes zwischen der operativen und der konservativen Behandlung (errechnet anhand von Patientenberichten die im 2-Jahres-Follow-up erhoben wurden).

Der Trend der immer häufigeren operativen Behandlung von Patienten mit proximaler dislozierter Humerusfraktur wird von diesen Ergebnissen nicht unterstützt.

1-Amar Rangan et al. :Surgical vs nonsurgical treatment of adults with displaced fractures of the proximal humerus: The PROFHER randomized clinical trial. JAMA. 2015;313(10):1037-1047

 

  

 

 

 

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